Elias Holl und der schiefe Turm von Neuburg
So mancher Bewohner der oberen Stadt dürfte um 1600 abends mit einem mulmigen Gefühl ins Bett gegangen sein. Der Blick aus dem Fenster ließ ahnen, was da auf die Neuburger vielleicht bald zukommen könnte: Der Kirchturm von Sankt Peter neigte sich immer bedrohlicher Richtung Straße.
Als 1602 am anderen Ende der oberen Stadt der Kirchturm der Hofkirche einstürzte und das Rathaus unter sich begrub, dürfte das die Stimmung in der Bevölkerung nicht zum Besseren gewandt haben.
Der Augsburger Baumeister Elias Holl – Schöpfer des Augsburger Rathauses und Mitgestalter der Willibaldsburg in Eichstätt – wurde zu Rate gezogen. Er empfahl 1605 dringend, den Turm von Sankt Peter abzureißen und neu aufzubauen. Elias Holl warnte vor den Gefahren, die beim Glockenläuten, bei Sturm oder starkem Donner vom Turm ausgingen.
Er zeichnete einen Plan des Turmes. Darauf schön zu sehen: der verzweifelte Versuch, den Turm mit Hilfe einer Holzspange und mit Seilen am Kirchendach zu verankern, um das weitere Absinken zu verhindern. Das war 1605.
Sie ahnen es vielleicht bereits: Bürokratie kann sich hinziehen. Erst 1641 entschlossen sich die Verantwortlichen, den Turm zu reparieren. Ein Neubau war zu teuer und aufwändig.
Während dieser Arbeiten stürzte der Turm im Mai 1641 ein und beschädigte das Kirchenschiff schwer: Der schiefe Turm von Neuburg war Geschichte.
Das Baugutachten von Elias Holl und die dazugehörige Zeichnung haben sich im Stadtarchiv bis in unsere Tage erhalten. Sie waren im Sommer 2023 im Maximilianmuseum Augsburg zu sehen und sind im Internet als digitale Sonderausstellung auch weiterhin zu besuchen.
Übrigens gab Elias Holl im März 1616 noch einmal ein kurzes Gastspiel in Neuburg: Die Bastei, die zur Stadtverteidigung diente, war baufällig geworden. Elias Holl und andere Baumeister legten dem Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm Gutachten vor und gaben darin Ratschläge, wie man die Schäden an der Verteidigungsanlage beheben könne. 1968 wurde ein Teilstück des Schanzweges in „Elias-Holl-Schanze“ umbenannt und erinnert somit noch heute an den Augsburger Baumeister.